Tag 19 – Wenn Stillstand lauter spricht als Bewegung
Heute Morgen stand ich auf der Waage. Einfach so, aus alter Gewohnheit. Kein neues Ergebnis. Kein Minus. Kein Plus. Stillstand. Ich hätte gedacht, dass ich nach all den Wochen sofort eine Reaktion erwarte – ein bisschen Stolz, ein kleines Triumphgefühl. Aber es war… ruhig. Nicht enttäuschend, aber eben auch nicht spektakulär. Stillstand. Früher hätte mich das komplett runtergezogen. Heute fühlt es sich anders an. Es macht mich nachdenklich, irgendwie reflektierend. Auf der anderen Seite auch kein JoJo-Effekt!
Ich habe in den letzten Wochen so viel verändert, so viele kleine, unsichtbare Schritte gemacht, die man nicht auf der Waage messen kann – die Energie im Alltag, die Ausstrahlung, die Art, wie ich mich bewege, die Kleider, die plötzlich locker fallen. Und plötzlich soll ich innehaltend weitermachen? Ich weiß noch gar nicht, wie das geht. Es ist, als hätte ich einen Turbo gezündet, der jetzt im Leerlauf röhrt. Ich bin stolz, aber gleichzeitig unruhig.
Mein Mann hat heute ganz nebenbei gesagt: „Du strahlst irgendwie.“ Nur ein Satz, kurz, fast beiläufig. Aber mein Herz hat ihn festgehalten, wie ein kleines Souvenir, das man heimlich bewahrt. Ich hab ihn noch Stunden später im Kopf wiederholt, und ich glaube, gerade diese kleinen Worte zeigen mir mehr als jedes Kompliment in der Vergangenheit. Und trotzdem spüre ich diese Unruhe tief in mir. Ich will nicht nur „gut aussehen“. Ich will begehrt werden, ich will mich selbst spüren, ich will mich selbst sehen, wie andere mich sehen. Ich will, dass mein eigener Blick mir sagt: „Ja, das bin ich, und ich liebe mich dafür.“
Arlett schrieb nur: „Du darfst die Richtung bestimmen.“ Und dann schickte sie mir ein Herz. Früher hätte ich sie gefragt, was ich tun soll. Jetzt merke ich: Ich weiß es eigentlich schon. Ich weiß, dass dieser Stillstand kein Ende ist, sondern nur ein Moment des Nachdenkens, ein Atemholen. Ich habe das Gefühl, ich stehe an einer Kante. Hinter mir: die alte Nicole, die immer nur funktioniert hat, die immer nach Plan gelebt hat. Vor mir: eine, die träumt, die sich traut, die neugierig ist auf alles, was noch kommen kann. Mit Glyck habe ich die Richtung gefunden. Jetzt muss ich entscheiden, wie weit ich gehen möchte.
Es ist nicht einfach, sich selbst zu spüren, ohne sofort eine Reaktion zu erwarten – ohne neue Erfolge auf der Waage, ohne neue Zahlen, keine Belohnungen. Ich lerne gerade, dass das richtige Maß nicht in Gramm gemessen wird, sondern in Momenten, Gedanken und kleinen Gesten. Und vielleicht ist genau das gerade wichtiger als alles andere.